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Weihnachtskarten – hergestellt nach alter Tradition

Eigener Schriftsatz und Druck in der Pavillonpresse zu Weimar



"Augen auf bei der Berufswahl!" ist ein beliebter Spruch meiner Freundin.


Ja, wie war das bei mir 1987? Auf Biegen und Brechen wollte ich Gärtnerin werden. Kein Weg führte zum Ziel. Auf einmal war es 5 vor 12. Ohne gute Beziehungen lief früher übrigens nichts! Meiner Mutter kannte den Direktor der Gutenberg-Buchdruckerei in Weimar und so nahm meine Geschichte ihren Lauf.


Schriftsetzer?!

Was, bitte schön, macht ein Schriftsetzer? Ich hatte keine Ahnung!

Das Bücher oder Zeitschriften gedruckt wurden, wusste ich mit meinen 16 Jahren. Aber davon, was vor dem Druck passiert, hatte ich schlichtweg keine Ahnung.


So trat ich meine Lehre an und war gespannt! Zumindest ein Teil meines Wunsches wurde erfüllt: Ich musste in keinem langweiligen Büro sitzen.

Dann stand ich vor meinem Setzkasten und war völlig perplex! Wie soll man sich die Fächer - mit den jeweiligen Buchstaben darin - merken? Aber das ging schneller als gedacht.


Im 1. Lehrjahr wurden mir viele Aufgaben zu teil, die keiner machen wollte. Da musste man einfach durch! Trotzdem konnte ich viel lernen. Im Winkelhaken entstand - Zeile für Zeile - der Schriftsatz aus einzelnen Drucktypen, welcher anschließend zu einer Kolumne gebunden wurde. Mit einer? Richtig! Mit einer Kolumnenschnur.


Im 2. Lehrjahr wechselte ich dann in den Maschinensatz. Das war einfach spannender! Hier entstand der Satz für die Tageszeitung. Eine riesige russische Zeilenguss-Maschine übernahm das Setzen und Gießen der Zeilen. Mir hat das Spaß gemacht und die Brigade war sehr kollegial und lustig.


1989 beendete ich meine Lehre zum Schriftsetzer und ab 1990 war der Beruf – so gut wie – ausgestorben.


In Weimar gibt es die Pavillon-Presse, die sich auf die Fahne geschrieben hat, das alte Handwerk weiterzuführen und die Tradition zu bewahren. Hier kann sich jeder in der schwarzen Zunft ausprobieren. Oder - wie gestern zum Workshop "Weihnachtskarten drucken" - die Vergangenheit wieder aufleben lassen. Ich hatte zum ersten Mal wieder – nach über 30 Jahren - einen Winkelhaken in der Hand. Mir hat es Spaß gemacht! Die Zeit war ein bisschen knapp, aber das Ergebnis kann sich trotzdem sehen lassen.

Eine erfahrene Setzerin aus Erfurt hat mir hier und da geholfen. Wir hatten einen schönen Austausch!



Schriftsatz der Weihnachtskarte:

Der Schriftsatz für die Titelseite der Karte. Die Schriften "Koralle-Grotesk-Versalien (1926)" und "Splendor (1930)" kamen zum Einsatz.


Der Schriftsatz für die Innenseite der Karte.



Einspannen des Schriftsatzes in die Druckform:

Ein freundlicher, ehrenamtlicher Mitarbeiter hat die Druckformen erstellt.




Drucken der Karten auf dem Kahle-Handtiegel:

Manuelle Klapptiegel-Presse, die nach dem Erfindungsort Boston auch Boston-Tiegel genannt wird. Hergestellt von der Emil Kahle Maschinenfabrik, Leipzig. Baujahr: um 1920






Danke an die Pavillon-Presse für die schöne Gelegenheit!



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